Wohn- und Atelierhaus Taufers im Münstertal
Eine Scheune im westlichsten Dorf Südtirols wurde für einen Künstler und eine Designerin zum produktiven Rückzugsort. Die neue Architektur ist durch das Dach in den Altbestand gestiegen und gibt sich dort roh und feinsinnig zugleich.
Hut ab, Haus hinein
Das gemauerte Wirtschaftsgebäudes aus dem 16. Jahrhundert mit später aufgesetztem Oberstock war gut erhalten, der Dachstuhl allerdings komplett marod. So nahmen columbosnext dem Stadel erst einmal das Dach ab, um dann von oben eine vollkommen neue Gebäudestruktur aus Brettsperrholz-Wandelementen hineinzuheben und dabei nur punktuell am Altbestand anzudocken – im Grunde nur beim trichterförmigen Eingangsportal, welches das alte Scheunentor ersetzt. Auch das Sparrendach ruht ausschließlich auf der inneren Holzkonstruktion und scheint einige Zentimeter über den Scheunenmauern zu schweben. Den Keller grub man rund 80 cm tiefer, verstärkte die Fundamente und schuf ein neues statisches Gerüst aus Betonboden, Säulen und umlaufendem
I-Trägerkranz, auf dem die Holzkonstruktion darüber sicher stehen konnte. Unten, wo früher die Tränke für Kühe und Schweine war, ist heute die Werkstatt für die gröberen Schritte der Kunstproduktion, sowie ein geräumiges Kunstlager. Alle Fassadenöffnungen und das großteils unverputzte Mauerwerk der Scheune beließ man originalgetreu, bis hin zu den horizontalen Belüftungslamellen, die heute als Sichtschutz Sinn ergeben. Sogar die jahrzehntelang halb zugemauerten und erst zufällig im Bauprozess ausgeaperten Rundbögen in der Ostfassade integrierte man geschickt ins Konzept. Mit großer Sensibilität ließen die Architekten diesem Gebäude seinen Charakter und nahmen die zufällige Ästhetik des Nutzbaus verantwortungsvoll an.
Vertikal vom Tun zum Denken
Wenn der Keller für das Grobe, Handwerkliche, Dunkle steht, so entwickelt sich das Konzept dieses Hauses vertikal nach oben ins immer Feinere, Hellere, Kopflastige und Intime – ohne dass man Freuds Theorien allzu sehr bemühen müsste.
Betritt man das Erdgeschoss durch den erwähnten, klug als Pufferzone eingesetzten Windfang, steht man unmittelbar im Koch- und Essbereich. Dahinter bildet ein tiefes, von beiden Seiten vielfältig nutzbares Raumregal die Trennung zum hohen Atelierbereich wo entwickelt, konzipiert, fotografiert, genäht, aber auch präsentiert und der eine oder andere Sammler empfangen wird.
Natürlich hängen hier Fliris künstlerische Arbeiten an jeder Wand, Antoinette Bader hat mit Feinheit die Textilien gestaltet. Durch vielerlei unterschiedliche Öffnungen fällt das Licht tief in den Raum und wandert im Tagesverlauf über Skulpturen und Bilder. Die Oberflächen sind typisch columbosnext: unverkleidet, ehrlich und simpel – geschliffener Estrich und Fichtenholz. Besonders eindrücklich ist, wie sehr hier der Innenraum als ein großes Gesamtvolumen sicht- und spürbar ist. Dafür haben Lino Lanzmaier und Walter Prenner das Haus- im-Haus-Konzept noch weiter getrieben und sind mit allen Einbauten des Obergeschosses konsequent 70 cm von der Innenfassade abgerückt. Nur zum Bestandsgebäude hin, an das der Heustadel angebaut ist, verbinden sich die beiden Schichten.