Auf dem Weg zu einer neuen Revision der Materialität
2023 feiert die Publikation „Towards a New Architecture“ ihr 100-jähriges Jubiläum. Der Autor, Le Corbusier, schreibt enthusiastisch: „Beton und Stahl haben die bis dahin bekannte Bauorganisation völlig verändert, und die Genauigkeit, mit der diese Materialien jeden Tag der Berechnung und der Theorie angepasst werden können, liefert ermutigende Ergebnisse, sowohl im erzielten Erfolg als auch in ihrem Aussehen, das an natürliche Phänomene erinnert und ständig die in der Natur gemachten Erfahrungen reproduziert.“
Stahlbeton ist heute allgegenwärtig – und er ist der wichtigste Einzelfaktor für die Schäden, die die Bauindustrie auf unserem Planeten anrichtet: Mindestens acht Prozent der von Menschen verursachten globalen Emissionen stammen allein aus der Zementindustrie. So sehr diese Publikation ArchitektInnen dazu aufforderte, sich von alten Praktiken und Materialien zu befreien, so sehr kettete sie uns auch an die führende Rolle der Bauindustrie bei der Zerstörung unseres Planeten. Wir könnten jedoch die Gelegenheit dieses Jubiläumsjahres nutzen, um die Fesseln der Moderne abzuwerfen und neue Architekturpraktiken einzuführen. Praktiken, die uns zu einer neuen Materialität geleiten können, die nicht nur mit natürlichen Phänomenen gut zusammenlebt, sie unterstützt und pflegt, sondern sie auch repariert und regeneriert. In der Freiheit, die uns das Institut für Kunst und Architektur an der Akademie der bildenden Künste Wien bietet, haben wir uns auf das Experimentieren mit und Hinterfragen von Materialität fokussiert. Inspiration dafür bieten Techniken, die von der einfachen Suche nach Möglichkeiten, weniger Material zu verwenden – etwa durch Falten, Formen und Häkeln hyperbolischer Flächen –, bis hin zur Wiederentdeckung von Technologien reichen, die viel zu lange ignoriert wurden.

Von Zeitungsdruck bis hin zu einem innovativen technischen Sperrholz wurden verschiedene Methoden erforscht, um dünne Bänder in vielen Maßstäben zu weben.
© Photo CMT-IKA-Academy of Fine Arts Vienna
Beton
Stahl muss aufgrund seiner Rostanfälligkeit sehr dick umhüllt werden, üblicherweise mit Beton. Wir haben ein Gewebe aus Kohlenstofffasern verwendet, das fünfmal stärker ist als Stahl und um ein Vielfaches korrosionsbeständiger. Außerdem ist es zehnmal dünner und lässt sich leichter biegen und falten. Ultrahochfester Beton (UHPC) nutzt sehr kleine Zuschläge, so dass er leicht fließt, die Bewehrung hervorragend bedeckt und die komplexesten Formen einnehmen kann. Die letzte entscheidende Maßnahme war der Einsatz von Faltmethoden, die mit Papier begannen und schließlich zu Beton und einem großen, maßstabsgetreuen Prototyp übergingen und die Gesamtdicke auf nur drei Zentimeter reduzierten, was auch eine Materialreduktion zur Folge hat... mehr dazu in unserer Juniausgabe!