Eine interdisziplinäre Diskussionsrunde

Design for All

Diskussionsrunde im LAUFEN Showroom © architektur.aktuell, Roland Rudolph

In einer Welt, die sich zunehmend für Inklusion und Zugänglichkeit einsetzt, spielt die architektonische Gestaltung eine entscheidende Rolle. Doch wie gut ist Barrierefreiheit bereits in der Architektur umgesetzt und wo besteht noch Handlungsbedarf?

Wir haben in einer Diskussionsrunde zusammen mit Wolfhard Drabek, Alexander Hagner, Monica Klenovec, Thomas Meindl, Christian Schäfer und Dominik Scheuch im Showroom von LAUFEN diese und weitere Fragen erörtert.


 

Woran scheitert die Umsetzung barrierefreier Architektur häufig?

[Hagner]: Vor 20 Jahren waren Menschen mit Behinderung noch nicht im Bewusstsein der PlanerInnen verankert. Glücklicherweise sind wir heute einige Schritte weiter. Trotzdem fehlen noch immer weitestgehend barrierefreie räumliche Ressourcen. So gibt es bis heute kein Hotel in Wien, das umfassend barrierefrei gebaut wäre, um beispielsweise eine größere Gruppe an Menschen mit Behinderung unterzubringen. Für den Verein Integration Wien versuchen wir seit acht Jahren ein solches Hotel in Wien nach dem Vorbild des Stadthaushotels in Hamburg umzusetzen. Doch es scheitert schlicht an der Finanzierung. Eine der drei Komponenten Grundstück, Errichtung oder Betrieb müsste gesponsert werden, um das Projekt umsetzen zu können. Es ist spannend, dieses Projekt von A bis Z durchzuplanen, um zu reflektieren, welche Regelungen und Normen zu berücksichtigen wären, wenn man das Thema Design for All wirklich in den Fokus stellt. Doch bleibt es am Ende des Tages die finanzielle Barriere, die den Bau dieser barrierefreien Architektur behindert.

[Drabek]: Es ist essenziell, betroffene Personengruppen weitestgehend miteinzubeziehen und wirklich zu versuchen, sich in gewisse Situationen hineinzuversetzen. Wenn man gewisse Themen immer im Hinterkopf hat, geht man anders an Problemstellungen heran. Das Hotelbeispiel finde ich an dieser Stelle passend, denn es gibt in unserer Gesellschaft oft noch eine Scheu vor Menschen mit Behinderungen. Noble Hotels machen sich Sorgen um ihr Prestige und ob barrierefreie Elemente Einfluss auf die Ästhetik haben könnten. Hier muss ein klarer Wandel im Denken der Menschen her.

Alexander Hagner im Gespräch © architektur.aktuell, Roland Rudolph

Alexander Hagner von gaupenraub +/- im Gespräch
© architektur.aktuell, Roland Rudolph

[Schäfer]: Die Themen Barrierefreiheit und Ästhetik beschäftigen uns häufig beim Design von Badezimmermöbeln sowie in der Zusammenarbeit mit PlanerInnen. Ich sehe oft, dass alle Räume sorgsam und ästhetisch geplant werden – bis auf das barrierefreie Badezimmer, wo dann Abstriche gemacht werden. Hier greifen ArchitektInnen meistens auf barrierefreie Maßstäbe und Standards zurück, statt in die gestalterische Arbeit zu investieren. In Zürich haben wir ein Boutique Hotel in Zusammenarbeit mit einer Architektin und Rollstuhlnutzerin geplant. Wir hielten die Baustandards ein, lehnten uns jedoch etwas aus dem Fenster und schufen einen ästhetischen Raum, der für alle funktioniert. Dies gelang mithilfe mobiler Badezimmermöbel, die je nach Bedürfnis der NutzerInnen angepasst werden können. Dabei war unsere Lösung kaum teurer als ein barrierefreies Standard-Bad. Wenn das Thema Barrierefreiheit bereits unter den ArchitektInnen nicht omnipräsent ist, wie kann es das dann in der Bevölkerung sein? Der Konsens ist da, die Notwendigkeit ist da, aber ich denke, es gibt viele Fragen und Themen, die noch nicht durchdiskutiert sind.

[Klenovec]: Das Problem fängt bereits in der Ausbildung an. Es gibt kaum verpflichtende Fächer zum Thema Barrierefreiheit an den Architekturhochschulen und HTLs. Wenn man mit PlanerInnen Übungen zur Selbsterfahrung macht und ihnen die Probleme und Thematik näherbringt, entwickeln sie ein nachhaltiges Verständnis. Allen Menschen, die mal im Rollstuhl gesessen sind, die sich die Augen verbunden haben oder durch eine Simulationsbrille geschaut haben, wird sofort klar, was einen bei der Orientierung und Fortbewegung unterstützt und was in gewissen Räumen benötigt wird, um sich zu bewegen. Erst dank dieser persönlichen Erfahrung geht man mit Ernsthaftigkeit an das Thema heran. Doch solange Barrierefreiheit noch lieblos in der Architekturausbildung versteckt ist, wird es schwierig, Studierende dafür zu interessieren...

Sie möchten weiterlesen? Dieser Beitrag ist Teil unserer Ausgabe 5/2024. Der Volltext ist ab Seite 12 zu finden.

Christian Schäfer im Gespräch © architektur.aktuell, Roland Rudolph

Christian Schäfer von LAUFEN im Gespräch
© architektur.aktuell, Roland Rudolph


 

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