Sonnenweiher, Grafenwörth © Wojciech Czaja

Ich glaube an das Gute im Menschen, an das Gute im Planen und Bauen. Aber immer wieder stoße ich auch in Österreich auf Projekte, die meinen baukulturellen Optimismus erschüttern und ihn wie ein Kartenhaus zusammenkrachen lassen. Die drei gefährlichsten Komponenten lauten Macht, Ignoranz, Zerstörungswut.


Panorama Vienna im Wiener Prater © Wojciech Czaja

Kategorie: Arroganz, Ignoranz, Besserwissertum.
© Wojciech Czaja

Panorama Vienna

PRATER

Da steht er also, der 33,5 Meter hoch betonierte Zylinder am Rande des Wiener Wurstelpraters. Im Äußeren seit Monaten unverändert, in seinen Dimensionen mit einem Delta von nur 150 Zentimetern auffällig knapp unter dem Schwellenwert zum Hochhaus laut Wiener Bauordnung. Damit wäre alles natürlich viel komplizierter und von viel mehr Beiräten und ExpertInnenmeinungen abhängig gewesen. So aber fügt sich das betonierte Ungetüm in die gesetzliche Matrix und ist in jeder Hinsicht baurechtlich legitimiert. Die MA 19 – Wiener Magistratsabteilung für Architektur und Stadtgestaltung – spricht in ihrer Stellungnahme sogar von einem „skulpturalen Gebäudekomplex“ und „stadtgestalterischen Bindeglied“.

Hinter diesem fragwürdig skulpturalen Projekt steht die deutsche Investorin und Projektentwicklerin Ilona Cardoso Vicente, CEO der Vida Panorama GmbH. Gemeinsam mit dem Wiener Planungsbüro WGA baute sie das sogenannte Panorama Vienna, ein 3.500 Quadratmeter großes 360-Grad-Rundgemälde, dessen Bildmotiv im Jahresrhythmus kuratiert und ausgetauscht werden soll. Inhaltlich sieht Cardoso Vicente ihr Projekt als Geschenk zum 150. Geburtstag der Wiener Weltausstellung 1873, als Fortführung der Wiener Panoramakultur und – etwas verwirrend, weil ganz andere Bautypologie – der abgebrannten Praterrotunde.

Die historischen Panoramen, die sich vor 3D-Kino, Holografie, Handyfotografie, Virtual Reality und Midjourney-Revolution sicherlich großer Beliebtheit erfreuten, wurden traditionellerweise in Holz errichtet. Während damals also eine rasche Marktanpassung im Sinne einer ökologischen Kreislaufwirtschaft ermöglicht wurde, wurden im Falle des Panorama Vienna weit über 1.000 Kubikmeter Beton verewigt. Man rühmt sich damit, das größte Panorama aller Zeiten errichtet zu haben. Ein rasender Erfolg auf internationalem Parkett scheint allerdings eher unwahrscheinlich. Und eine sinnvolle Nachnutzung für das gigantische Betonungetüm noch viel unwahrscheinlicher. Wie kann man sich nur mit so viel historischer und baukultureller Ignoranz an eine Bauaufgabe in diesen Dimensionen heranwagen? – „Es ist nichts schrecklicher als eine tätige Unwissenheit.“ Goethe.

Sport & Fun Halle, Wien © Wojciech Czaja

Kategorie: Bauen als Gier- und Machtinstrument, Zerstörungswut und Demolitionmania.
© Wojciech Czaja

Sport & Fun Halle

VENEDIGER AU

Im Gegensatz zur Rotunde baut die Sport & Fun Halle in der Venediger Au auf den Prinzipien von Leichtbau, Adaptierbarkeit und einer intelligenten, sich in die Umgebung fügenden Fassadenbegrünung auf. Architekt Michael Schluder, der auf Basis einer Machbarkeitsstudie und eines Generalplaner-Anbots von der Stadt Wien mit der Planung einer neuen Sporthalle beauftragt wurde, entwickelte einen großen, flexibel nutzbaren Raum, der in seiner Farbgebung und architektonischen Gestaltung ein wenig an Roland Rainers Stadthalle erinnert. Besser kann man einen Innenraum im Low-Budget-Bereich nicht planen.

In diesem Fall verursacht nicht die Architektur Bauchschmerzen, sondern die Genese der politisch beeinflussten Baubewilligung, die sich über alle Widmungseinschränkungen und über die im bestehenden Flächenwidmungsplan schriftlich festgehaltenen „besonderen Bestimmungen“ hinwegsetzte. Gegen den Willen der AnrainerInnen und der eigens zu diesem Behufe gegründeten Bürgerinitiative wurde hier ein zum Teil massiv betoniertes – also dezidiert nicht nur temporäres Bauwerk – ins Grünland („Esp Erholungsfläche Sport“) hineingestellt.

Die Stadt Wien als Auftraggeberin und bewilligende Baubehörde in institutioneller Union hat sich hier also selbst die Baubewilligung erteilt, der gesamte Akt inklusive positivem Baubescheid wird seitdem unter Verschluss gehalten. Rechtsanwalt Lorenz E. Riegler bezeichnet die Vorgehensweise als „schwere Wunde im Rechtsstaat“. Dieses Projekt ist eine mutwillige Zerstörung von Vertrauen und vermeintlich transparenter Kommunikationskultur mit den BürgerInnen, die sich die Stadt Wien auf ihre Fahnen heftet...

Sie möchten weiterlesen? Dieser Beitrag ist Teil unserer Ausgabe 11/2023. Der Volltext ist ab Seite 52 zu finden.


 

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