Tina Gregorič, Mitgründerin des Architekturbüros dekleva gregorič architects in Slowenien und Professorin an der Technischen Universität Wien, arbeitet abwechselnd in Wien und Ljubljana. Seit mehreren Jahren beschäftigt sie sich mit der Unternutzung von Kulturbauten und Alternativen zum Massentourismus.

Das KSEVT – Cultural Centre of European Space Technologies in Vitanje. © TOMAZ – GREGORIC

Wie hat sich die Typologie der Kulturbauten in den letzten Jahren im Vergleich zu heute verändert?

Traditionelle Kulturstätten, wie wir sie seit hundert Jahren kennen, haben sich in Stadtzentren angesiedelt. Sie spielten eine tragende Rolle, die vor Jahrhunderten vor allem den Kirchen zukam, die aber in den letzten 500 Jahren nach und nach auf die Kulturbauten überging. Im 21. Jahrhundert hat sich die Bedeutung eines Kulturbaus verändert, und ich denke, dass das Projekt der Tate Modern in London ein Wegbereiter in dieser Hinsicht ist. Das Museum hatte als eines der ersten den Anspruch, wesentlich mehr als nur eine Kunstgalerie zu sein. Das Projekt wollte sich in seiner Darstellung in der Stadt bewusst gegen den Ikonencharakter richten, und es wurden Pläne für die Wiederverwendung eines bestehenden Industriegebäudes und nicht für den Bau eines neuen Gebäudes entwickelt, das für die Öffentlichkeit zugänglich sein sollte.

Welche zusätzlichen Nutzungsmöglichkeiten gibt es heute in Kulturgebäuden oder welche könnten in Zukunft hinzukommen?

Bei der Planung neuer oder der Anpassung alter Kulturgebäude müssen wir vor allem berücksichtigen, dass sie in vielerlei Hinsicht widerstandsfähig sein müssen. Widerstandsfähig bei der Bautechnologie, doch vor allem widerstandsfähig in dem Sinne, dass sie unterschiedlich genutzt werden können und anpassbar sind. Insbesondere in Zeiten von Pandemien, Naturkatastrophen oder sogar Kriegen sind wir uns bewusst, dass es immer wieder zu extremen Herausforderungen kommt. Es gilt auf diese Situationen zu reagieren, allerdings sollten Schließungen von Kultureinrichtungen unbedingt vermieden werden. Eines der von uns mitgestalteten Kulturprojekte, das KSEVT – Cultural Centre of European Space Technologies (KSEVT) in Vitanje, einer Kleinstadt im Herzen Sloweniens, befasste sich mit dem Konzept eines dualen Nutzungsprogramms. Ein attraktives Ausstellungs- und Forschungsprogramm sollte der Region neues Leben einhauchen. Durch die Zusammenlegung mit einem Kulturprogramm der Gemeinde sollte das alte Gemeindezentrum ersetzt werden. Neben der Funktion als Museum und Forschungsstätte für Raumfahrttechnik organisierten wir Räume für den örtlichen Fußballverein, die Bibliothek vor Ort und die Blaskapelle. Das Kulturzentrum erregte anfangs große Aufmerksamkeit, aber nach der Eröffnung wurde deutlich, dass das Gebäude aufgrund des fehlenden Konzepts und der gemeinschaftsorientierten Aktivitäten nicht so genutzt wurde, wie wir es ursprünglich geplant hatten. Aufgrund dieses Umstandes haben wir uns im Jahr 2014 entschlossen, das Thema Nanotourismus zu initiieren und uns weitgehend mit untergenutzten Gebäuden zu beschäftigen. Durch die Erfahrungen mit KSEVT haben wir aber festgestellt, dass sich die eingebauten Duschen für den örtlichen Fußballverein auch wunderbar in ein vorübergehendes Hotel umwandeln lassen. Daraus könnte jedoch auch problemlos eine Notunterkunft für Flüchtlinge gemacht werden. Planer sollten bedenken, dass es neben Friedenszeiten auch Kriegs- und Krisenzeiten sowie andere Notsituationen gibt und dass Gebäude immer wandelbar sein sollten bzw. gar sein müssen.

Die lichtspendenden runden Oberlichten, schaffen zugleich transparente Räume. © TOMAZ – GREGORIC

Wie können Kulturgebäude für die Gesellschaft erschlossen werden und welche Bedingungen müssen für eine vielfältige und relevante Nutzung öffentlich zugänglicher Räume in Kulturgebäuden erfüllt sein?

Je multifunktionaler ein Museum, ein Theater oder eine Oper ist, desto mehr unterschiedliche Besucher können angesprochen werden. Die Frage, wie ein neues Besucherspektrum erschlossen werden kann, stellt sich für Kultureinrichtungen immer wieder. Ein Ansatz wäre, dem bestehenden Zweck eine weitere Nutzungsmöglichkeit hinzuzufügen, wodurch Besucher mit anderen Interessensgebieten angesprochen werden können. Es ist wichtig, ein passendes Nutzungskonzept zu finden, das sich auf den Inhalt und den Kontext der Einrichtung bezieht. So sind beispielsweise eine Pop-up-Bibliothek oder Konzerte an manchen Orten sinnvoller als an anderen...

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