MEDIA REVIEW

Landschaft: Zwischen Theorie, Praxis und Pädagogik

Die Auswirkungen des Klimawandels auf die Landschaft und die damit verbundenen Lebensbedingungen ist ein unerschöpfliches Thema, das in den hier vorgestellten Publikationen aus verschiedenen Blickwinkeln betrachtet wird. Zwischen Theorie, Praxis und Pädagogik wird ein weites Feld von Möglichkeiten aufgetan, den ökologischen Übergang anzudenken.


Eine Auswahl von Susanne Stacher

Um das Interesse von Architekten an klimatischen und geopolitischen Fragen zu wecken, wird das Klima in Drawing Climate: Visualising Invisible Elements of Architecture durch Beiträge verschiedener Autoren in einem internationalen kulturhistorischen Kontext beleuchtet. Originell ist die Strukturierung in vier Kapitel „dry, wet, cool, hot“, wodurch die klassische Einteilung in geographische Klimazonen vermieden wird, zugunsten übergreifender Phänomene. So wird z.B. Staub in „dry“ behandelt, als weltweiter gesundheitsschädlicher Faktor. In cool und hot geht es um den Klimawandel, eingebettet in weitgreifenden, kulturgeschichtlichen Betrachtungen – von der kristallinen Faszination bis zum neuerdings möglichen Lebensraum in der eisfrei werdenden Arktis. Feuer wird zugleich in der ästhetisch-romantischen Dimension des Sublimen und seiner destruktiven Qualität dargestellt. Am Ende des Buches sollen Studentenprojekte von Sidney und Singapur dazu anregen, das Klima zum Hauptthema der Architektur zu machen.

 

 

 

 

Daniel J. Ryan, Jennifer Ferng, Erik G. L'Heureux
Drawing Climate: Visualising Invisible Elements of Architecture
232 Seiten, englisch
Birkhäuser Verlag, € 38,95

Die Landschaft steht in 250 Things a Landscape Architect should know im Zentrum, als Antwort auf Michal Sorkins gleichnamiges, an Architekten gerichtetes Buch. Wie beim Original handelt es sich auch hier um eine Liste essenziellen Wissens, das sich aus verschiedenen Positionen zahlreicher Landschaftsarchitekten zusammensetzt. Es geht um die Notwendigkeit, ein neues Naturverständnis aufzubauen, bei dem nicht mehr der Mensch im Mittelpunkt steht. So weist z.B. Stig L. Andersson darauf hin, dass es kein Zurück zur (wilden) Natur gibt, schließlich handle es sich bei gestalterischen Eingriffen stets um eine vom Menschen gemachte „Stadt Natur“, bei der nicht mehr der optische Aspekt im Vordergrund stehen solle. Anita Berrizbeita erinnert an die bereits von Humboldt und Geddes thematisierte Notwendigkeit, in langen Querschnitten von der Stadt bis zum Hinterland zu denken, um angesichts des Klimawandels die Abhängigkeiten, Zusammenhänge und Herausforderungen zu erfassen. Leicht lesbare kurze Statements regen zum Blättern und Nachdenken an.

 

 

 

Cannon Ivers
250 Things a Landscape Architect Should Know
512 Seiten, englisch
Birkhäuser Verlag, € 32,-

Wie die Nahrungsproduktion die Lebensqualität im städtischen Raum verbessern kann, ist die zentrale Frage in Food Urbanism: Typologies, Strategies, Case Studies. Die urbane Landwirtschaft wird in all ihren Dimensionen analytisch untersucht. Dieses Buch bietet einen theoretischen und projektbezogenen Ansatz mit einer methodischen Klassifizierung der unterschiedlichsten Erscheinungsformen dieses relativ neuen, sich rasch ausbreitenden Phänomens. Dabei wird behutsam zwischen aktionistischen, meist kurzfristigen Projekten und solchen mit langfristiger Wirkung unterschieden – ohne Werturteil. Wie in einem Atlas werden verschiedene Typologien urbaner Landwirtschaft dargestellt, sowohl in Bezug auf die Orte – Balkone, Dachterrassen, Zwischenräume kollektiver Wohnbauten, Privatgärten –, als auch auf die „Pflanzer“ (Growers) – Aktionisten, Einzelpersonen, Kooperativen –, wobei auch auf deren Motivationen, Möglichkeiten und Schwierigkeiten eingegangen wird; es folgt eine ebenso gründliche Analyse urbaner Formen und ein „Toolkitt“, der den Übergang zur Praxis einleitet, wobei realisierte Fallbeispiele und hypothetische Projekte greifbare Perspektiven aufzeigen.

 

 

Craig Verzone, Cristina Woods
Food Urbanism: Typologies, Strategies, Case Studies
296 Seiten, englisch
Birkhäuser Verlag, € 39,95

In Transforming Landscapes: Michel Desvignes Paysagiste wird das Thema Landschaft anhand von zehn realisierten Projekten des berühmten französischen Landschaftsplaners behandelt, wobei die reflexive Dimension eine Schlüsselrolle spielt. Die Architekturkritikerin Françoise Fromonot stellt sein theoretisches und praktisches Schaffen in die Langzeitperspektive, wobei sich drei Landschaftsstrategien im Zusammenwirken unterschiedlicher Maßstäbe herauskristallisieren: „symbiosis“ (ein Projekt nährt das andere), „nesting“ (eines beinhaltet das andere), „propagation“ (eines dehnt das andere aus). Diese Grundsätze werden in den darauffolgenden Beispielen anschaulich, die virtuos aufzeigen, inwieweit Ästhetik mit einer weitsichtig nachhaltigen Landschaftsgestaltung einhergehen kann. Zwischen den einzelnen Projekten kommt Desvignes selbst zu Wort: Angesichts der ökologischen Krise sieht er die größte Notwendigkeit darin, große Transformationen einzuleiten, insbesondere hinsichtlich der Landwirtschaft und der versiegelten Peripherien – und zwar auf höchster (nationaler und europäischer) Ebene.

 

 

Françoise Fromonot
Transforming Landscapes: Michel Desvigne Paysagiste
208 Seiten, englisch
Birkhäuser Verlag, € 59,95

Um einen wesentlich größeren Maßstab geht es in Fest, Flüssig, Biotisch: Alpine Landschaften im Wandel, herausgegeben von Thomas Kissling, wobei es hier um die durch den Klimawandel beschleunigte Veränderung der Alpen geht. Die Publikation begleitet die Installation von Günther Vogt/ETH Zürich, präsentiert im Rahmen der 17. Architekturbiennale in Venedig, bei der das Gletscherschmelzen durch ein tropfendes Alpenmodell thematisiert wurde. Das Buch bietet eine gründliche Vertiefung durch anregende wissenschaftliche Essays – wobei „fest, flüssig, biotisch“ für die Geologie, die Hydrologie und die Biologie der Alpen steht –, ergänzt durch Fieldtrips und Kunstprojekte. Diese ungewöhnliche Mischung, bei der auch die kulturhistorische Dimension nicht zu kurz kommt, ermöglicht einen vielfältigen Zugang zu einem Phänomen, das in seiner Komplexität nicht von einer Disziplin erfasst werden kann und soll.

 

 

 

 

 

Hg. Thomas Kissling
Fest, Flüssig, Biotisch: Alpine Landschaften im Wandel
208 Seiten, englisch oder deutsch
Lars Müller Publishers, € 25,-

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