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„Mir wurde gar nicht zugehört“ – Gender und Diversität im Architekturstudium

An der TU Wien inskribieren aktuell über 60 Prozent Frauen das Architekturstudium, der Frauenanteil bei AbsolventInnen beträgt 64 Prozent. Diese Zahlen erscheinen hinsichtlich der Gleichstellung von Frauen wie eine Übererfüllung der Aufgabe. Doch trotz dieses hohen Anteils bei den Studierenden halten sich auch an der Universität große Ungleichheiten aufgrund von Gender und Diversität.

Vortrag Afaina de Jong im Az W auf der zweiten Claiming*Spaces Konferenz 2022. © JOANNA PIANKA

Ein Grund scheint die anhaltende Wirksamkeit der Vorstellung von einem „idealen Architekten“ zu sein. Meisterkult, patriarchale Strukturen und genderbezogene Netzwerke prägen so auch die Lehre. In den letzten Jahren wurden an vielen Architekturfakultäten Initiativen gestartet, die für eine intersektionale Gleichstellung an Universitäten eintreten. Die Parity Group an der ETH Zürich ist eine der bekanntesten davon. Sie deckt seit 2016 Missstände auf und sucht Alternativen durchzusetzen. Auf internationaler Ebene ist sie über die Parity Front mit gleichgesinnten Gruppen vernetzt (Womxn in Design GSD, Parity Board TUM, Gender Taskforce TU Graz, Claiming*Spaces TU Wien u.a.). Sie alle eint die Überzeugung, dass sich Gendergerechtigkeit an einer Architekturfakultät nicht allein auf Zahlen und Quoten beziehen kann, sondern auch Veränderungen in der Struktur wie auch in der Kultur der Institution und des Zusammenarbeitens bedeuten muss.

Um intersektional feministische Perspektiven an der TU Wien einzubringen, gründete sich Anfang 2019 das Kollektiv Claiming*Spaces, eine Bottom-Up-Gruppe aus Studierenden, Lehrenden und AbsolventInnen. Im November 2019 fand die erste internationale Konferenz zu „Whose Spaces“, 2022 die zweite Konferenz zu „Whose History“ im Architekturzentrum Wien statt.

Eindrücke der zweiten Claiming*Spaces Konferenz 2022. © JOANNA PIANKA

Im Rahmen der Vorbereitung dieser beiden Konferenzen initiierten wir als Teil des Kollektivs mehrere Lehrveranstaltungen, um die Perspektive und Erfahrungen von Studierenden im Studienalltag einzuholen. Die Situation an der Fakultät wurde über einen genauen Blick auf das Wer, Was und Wie ihrer Lern- und Ausbildungsbedingungen betrachtet. An einer Umfrage des Kollektivs zu Diversität und Diskriminierung 2019 nahmen 397 Studierende teil. Im Folgenden sind die wichtigsten Ergebnisse aus diesen Untersuchungen zusammengefasst.

WER lehrt, wer darf lehren?

Spiegelt die Zusammensetzung der Lehrenden die gesellschaftliche Diversität wider? In der Lehre sind die Studierenden nach wie vor mit einer markant höheren Zahl an männlichen Lehrenden konfrontiert. 2019 äußerte die überwiegende Mehrheit der befragten weiblichen Studierenden den Wunsch nach mehr Frauen als Lehrende (82 Prozent von 150 Befragten). 2021 zeigte sich, dass viele der berichteten Diskriminierungen durch männliche externe Lehrende erfolgen. Die Studierenden zeigten sich befremdet, dass externe Lehrbeauftragte, die einen Großteil der Lehrenden in den Entwurfsübungen im Bachelorstudium bilden, direkt aus der Praxis kommend ohne didaktische Einschulung oder Compliance unterrichten dürfen und dabei auch nicht kontrolliert werden...

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