Promille in klarer Geometrie: ein Industriebau für Kirchheim

Mit einer neuen Brauereihalle für das deutsche Start-Up Braurevolution lockt das lokal ansässige Büro mehr*architekten ein neues Publikum an den industriellen Stadtrand der badischen Mittelstadt Kirchheim unter Teck. Mit einfachsten Mitteln als Entwurfsinstrument entstand ein roher Baukörper in ikonischer Ausprägung.

Der Innenraum ist dank der nordseitig angebrachten Oberlichte im Dachaufbau hell erleuchtet. © Sebastian Schels

Dass sich WinzerInnen an gestalterisch anspruchsvoller Architektur als Vermarktungsinstrument bedienen, zeigt seit einigen Jahrzehnten eindrucksvoll eine Vielzahl an spektakulären Weingütern im deutschsprachigen Raum. Auch Biermarken verbinden jüngst die eigentlich reine Zweckarchitektur der Produktionsstätte mit neugestalteten Brauereien in werbewirksamer Manier. Doch die kleine Brauereihalle in Kirchheim ist typologisch mit der Industriearchitektur näher verwandt als der oftmals effekthaschenden zeitgenössischen Brauereiarchitektur. Wurde das Gebäude zwar für die Nutzung als Brauhaus geplant, muss es dennoch zukünftig reversibel und flexibel nutzbar sein, ist das junge Start-Up doch nur Mieter auf unbestimmte Zeit. Der ungeschliffene Baukörper schwankt also gekonnt zwischen spezifisch und generisch zugleich. Die bildhafte Dachkonstruktion wurde inspiriert von Erich Mendelsohns ikonischer Hutfabrik, sowie den Fotoarbeiten von Bernd und Hilla Becher, die alte Industriegebäude in ihrer eigenen Architektursprache zeigen. Nicht zuletzt ist die anonyme Gewerbearchitektur der architektonische Kontext und in der Umgebung der Halle omnipräsent vertreten. Als Ergänzung eines bereits bestehenden Ensembles schließt die Halle die Längsseite des Grundstücks gen Norden ab, wobei so die Hauptfassade zur Straße hin zum eingefassten Bereich für einen Biergarten wird. Wie Buchstützen fixieren die beiden kurzen Fassaden in schalreinem Sichtbeton den länglichen Bau und definieren deutlich ablesbar Vorder- und Rückseite.


Bier, Licht und Industrie


Dazwischen spannt sich ein filigraner Stahlbau auf, der nordseitig mit transluzenter Profilitverglasung für ein angenehmes Arbeitsklima im Innenraum sorgt, südlich jedoch bis auf ein die Anlieferung markierendes Vordach geschlossen auftritt. Nach diversen Studien griffen mehr*architekten zu einer trickreichen Entwurfslösung. Indem sie ein banales, hallenartiges Satteldachvolumen um ein aufgesetztes Lichtband auf dem Dachfirst ergänzen, verliehen sie der Brauereihalle durch minimale Intervention eine ikonenhafte Formgebung. Besonders an den rauen Betongiebeln wird die charakteristische Form bestens ersichtlich. Stimmig zurückhaltend platzierte und geometrisch reduzierte Additionen wie ein richtungsloses rundes Fenster und eine rechteckige Industrietür als Haupteingang schaffen Blickbeziehungen (von innen nach außen) und geben der Hauptfassade ein unverkennbares Antlitz...

Nachts erstrahlt die nordseitige Profilitverglasung zwischen den massiven Querwänden. © Sebastian Schels

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