Stadtplanung mit Sportsgeist
Fitness im öffentlichen Raum, das ist mehr als nur ein Spielplatz oder ein hoch eingezäunter Ballkäfig. Immer wichtiger wird eine gendergerechte Planung dieser Allgemeinflächen, die keine User (männliche Form, sic) bevorzugt und keine vulnerablen Gruppen ausschließt.
Shanghai, Renmin-Park, 6 Uhr früh. Chongqing, am Ufer des Yangtse, irgendwann am frühen Nachmittag. Oder auch Guiyang, ein kleiner Platz mit Blick auf die Jiaxiu-Pagode, goldene Stunde, kurz vor Einbruch der Dunkelheit. In ganz China, so scheint es, wird im öffentlichen Raum rund um die Uhr gesportelt. Die einen üben sich am Crosstrainer, machen einen auf Skiläufer oder rudern am Asphalt, die anderen stehen in der Wiese und vollführen langsame Tai-Chi-Bewegungen, wiederum andere haben den Ghetto-Blaster auf den Boden gestellt und tanzen Salsa, Hip-Hop, chinesischen Tango.
Warum betreibt man im Land der Mitte so viel Sport auf der Straße? „Weil wir zu Hause keinen Platz für einen Hometrainer haben, und den Mitgliedsbeitrag in einem Fitness-Center können sich die meisten von uns auch nicht leisten“, sagt Gu Li Jun, Reiseleiterin in Shanghai und eigentlich Stadtpsychologin im Hauptberuf. „Also gehen wir dorthin, wo der Platz gratis ist, hinaus in den öffentlichen Raum.“ Auffällig ist, dass es in der körperlichen Ertüchtigung offenbar keine Age- und Gender-Gaps gibt, dass sich in den unterschiedlichen Sport- und Trainingsarten keinerlei soziale Sinusmilieu-Tendenzen ablesen lassen. „Nach welchen Unterschieden hättest du denn gesucht? Du meinst, zwischen Männern und Frauen? Ich glaube, ich verstehe deine Frage nicht.“
Von dieser Parität und Egalität kann man in Europa nur träumen. Eine in Deutschland erstellte Studie zu Sport- und Bewegungsaktivitäten (2019) zeigt in einigen Punkten riesige Gender-Unterschiede. Unter insgesamt 14.500 Befragten stellte sich heraus: Die Männer dominieren die Sportplätze und den Straßenraum, während Frauen häufiger im Wald, in der freien Natur und in Indoor-Gymnastikräumen anzutreffen sind. „Der öffentliche Raum stellt einen wichtigen Baustein für körperliche Aktivitäten dar“, sagt Stefan Eckl, Geschäftsführer des Instituts für Kooperative Planung und Sportentwicklung (ikps) in Stuttgart. „Während die strukturellen Wechselbeziehungen zwischen Raumgestaltung und Bewegungsverhalten in der Sportsoziologie mittlerweile gut dokumentiert sind, mangelt es an einer flächendeckenden Durchdringung in andere Disziplinen – zum Beispiel in die Stadtplanung.“
Genau das soll sich nun ändern...
Sie möchten weiterlesen? Dieser Beitrag ist Teil unserer Ausgabe 6/2024. Der Volltext ist ab Seite 32 zu finden.