Werner Neuwirth, Atelierhaus C.21, Wien © Stefan Müller

Jenseits aller Markt-Standards und offen für alles zeigt sich die komplexe Raumtypologie des letzten Puzzlesteins im Wiener Sonnwendviertel Ost. Das Projekt setzt eine liberale und kultivierte Tradition des mehrgeschossigen Stadthauses fort, die vor 160 Jahren in New York begonnen hatte.

Was ist Wohnen? Was ist Arbeiten?

Werner Neuwirth forscht schon seit langem an fundamentalen Fragen zu Raum und Funktion. Für den Architekten mit philosophischen Neigungen und zusätzlicher akademischer Ausbildung als Maler gibt es keine exakte oder verbindliche Definition dieser Grundbegriffe des Bauens. Schon gar nicht erscheint ihm deren landläufige Verwendung in der Immobilienwirtschaft als relevant. Im Baualltag verdichten sich nämlich unsere Vorstellungen von Raum und Funktion in der Moderne-typischen Dichotomie von Wohnen und Arbeiten, die mit den beiden anderen Begriffen nach vermeintlich „wirtschaftlichen“ Kriterien kombiniert werden.

Braucht man etwa große und hohe Räume nur zum Arbeiten (was immer man darunter versteht) sowie kleine und niedrige nur fürs Wohnen (dessen exakte Bedeutung ebenso unklar ist)?
Kann man sie miteinander kombinieren statt streng trennen und/oder ihren Gebrauch offen lassen?
Welche Folgen hat das auf Städtebau- und Objektebene?

Mögliche Antworten auf diese Grundfragen urbaner Zivilisation entstanden im anglo-amerikanischen Raum und wurden von Adolf Loos ab 1896 in Wien eingeführt. Im Kern geht es dabei um eine bürgerliche verdichtete Wohnform mit gehobenen kulturellen Ansprüchen. Nicht nur Künstler und Architekten, sondern auch Kunstsammler und Salon-Gastgeber brauchen hohe und große Räume für ihre Aktivitäten, neben kleineren und niedrigeren für Privates. Die unterschiedlichen Raumhöhen lassen sich in einer Art 3D-Puzzle der Einheiten zu mehrgeschossigen Stadthäusern kombinieren. Das ist ökonomisch und schafft Annehmlichkeiten, die mit dem Bild von gestapelten und ineinander verschränkten Einfamilienhäusern umschrieben werden könnten. Als Atelierhaus wurde dieser innovative Bautyp ab den 1850er Jahren in New York erprobt, Adolf Loos übertrug ihn in Gestalt seines „Raumplans“ auf Zentraleuropa.

Werner Neuwirth, Atelierhaus C.21, Wien © Kurt Hörbst

Werner Neuwirth, Atelierhaus C.21, Wien © Kurt Hörbst

 

Es gibt nur ein Elementarthema des Bauens:
Lebensräume

 

Werner Neuwirth

 

Freiheit für Willensstarke

Den Nutzern standen drei Grundeinheiten zur Verfügung, die am Ende sowie links und rechts der Mittelflure zweier Treppenhäuser mit Lastenliften für je sechs Ebenen liegen. Sie sind fast beliebig kombinierbar: Kleine eingeschossige Wohneinheiten mit 42 m2 und 2,70 m Raumhöhe konnte man mit den angrenzenden größeren Einheiten verbinden, die 5,70 m hohe Räume bieten. Verbindet man alle drei, ergibt sich eine große durchgebundene Einheit mit Ausblicken sowohl auf die Bahnseite als auch auf die Straße. Alle Einheiten haben einen Sanitärkern und sonst nur offenen, nicht unterteilten Raum, in dem sich individuelle „Handlungsmuster“ frei entfalten können. Die Isolierglasfenster mit Außenrollos sind quadratisch und geschosshoch, jene der hohen Atelierräume sogar noch größer. Die Haustechnik bietet mechanische Be- und Entlüftung, Fußbodenheizung und -Kühlung sowie Wärmepumpen und 30 Tiefensonden.

Mehr zu Raum, Funktion, Stadt lesen Sie in der November Ausgabe

Werner Neuwirth, Atelierhaus C.21, Wien © Kurt Hörbst

Werner Neuwirth, Atelierhaus C.21, Wien © Kurt Hörbst

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