Am Bedürfnis orientiert
Raum, soziale Verhältnisse, Städtebau und Gesundheit hängen eng zusammen. Die Zukunft der sozialen Dienste sieht die Wiener Pflege-, Patientinnen- und Patientenanwältin Dr. Sigrid Pilz in bedürfnisorientierten, mobilen Einheiten.
„Raum und Städtebau spielen beim Wohlbefinden eine große Rolle“, so Dr. Sigrid Pilz, die unabhängige Wiener Pflege-, Patientinnen- und Patientenanwältin. „Wer im 15. Oder 20. Bezirk wohnt, hat eine bis zu sieben Jahre geringere Lebenserwartung als eine Person aus dem ersten oder 19. Bezirk. Natürlich wirken sich Lebensumstände auf die Gesundheit aus.“
Wer in einer winzigen Substandardwohnung lebt, ständig dem Lärmpegel einer lauten Straße ausgesetzt ist und sich in seinem Grätzel nicht mehr sicher fühlt, leidet unter Stress. „Der Zusammenhang zwischen sozialen Verhältnissen und Gesundheit ist sehr stark“, so Pilz. „Stadtplanung soll auch vulnerablen Gruppen verbesserte Chancen schaffen.“Kinderreiche Familien mit Migrationshintergrund zählen ebenso dazu wie ältere, in ihrer Mobilität eingeschränkte Personen.
„Früher wurden alte Menschen vom Kuratorium Wiener Pensionistenheime in Pflegewohnhäuser gesteckt und dort rund um die Uhr versorgt. Sehr, sehr viele aber wollen lieber zu Hause bleiben. Selbst, wenn sie dafür Einschränkungen in Kauf nehmen müssen. Es ist ökonomisch, ethisch und sozial richtig, ihnen das zu ermöglichen.“ Pilz sieht die Zukunft in vielen kleinen, mobilen Einheiten für soziale Dienste, die über die ganze Stadt verteilt gezielt Bedürftige unterstützen. So könnten leere Erdgeschosslokale in Gemeindebauten zu barrierefreien mobilen Stützpunkten oder Tageszentren ausgebaut werden. „Da gibt es viel Reformpotential. Man muss mehr menschliche Ressourcen dafür vorsehen und spezielle Angebote am Bedarf der Bewohner und Bewohnerinnen entwickeln. Eine Fehlversorgung ist wesentlich teurer als die Investition in solche Maßnahmen“, ist Pilz überzeugt.
Mehr zu diesem Thema lesen Sie im "Future Talk" unserer Jänner-Februar-Ausgabe 2020, die sich dem Schwerpunkt "Sozial bauen" widmet