Die Geschichte neu schreiben - Architektur-Pionierinnen in Österreich
Das Forschungsprojekt „Architektur Pionierinnen in Österreich. Österreichische Architektinnen – suchen und sichtbar machen, Phase 1: Architektur Pionierinnen in Wien“ arbeitet seit 2021 daran, jene Frauen zu erfassen, die in Wien zwischen 1880 und 1938 den Weg in den Architekturberuf suchten.
Erst durch die Industrialisierung und bürgerliche Emanzipation Mitte des 19. Jahrhunderts begann im Bereich Bildungschancen für Mädchen und Frauen ein Umdenken. Schließlich waren die ökonomischen Aussichten für die unverheirateten Töchter des Bildungsbürgertums düster und eine Berufstätigkeit oft die einzige Möglichkeit, deren Existenz zu sichern. Den entstehenden Frauenbewegungen und visionären, engagierten Frauen standen konservative Bildungspolitiker, Vertreter der verschiedenen Berufsgruppen und Hochschulprofessoren gegenüber, die einer generellen Öffnung der Universitäten für Frauen ablehnend gegenüberstanden - nicht zuletzt aus Angst, eine weibliche Konkurrenz heranzubilden. Doch der öffentliche Druck stieg und Ende des 19. Jahrhunderts ließen die ersten Ausbildungsstätten in Deutschland und der Schweiz Studentinnen zu. Österreich dagegen war rigoros, was dazu führte, dass junge Frauen, die studieren wollten, auf die Universitäten anderer Länder ausweichen mussten. Lilia Skala studierte von 1915-1920 an der TH Dresden und Leonie Pilewski-Karlsson versuchte bereits ab 1915 an der TH Wien zu studieren – sie wechselte an die TH Darmstadt, wo sie 1922 die Diplom-Hauptprüfung absolvierte. Auch Ella Briggs war bereits ab 1916 Gasthörerin an der TH Wien, sie konnte 1920 den Abschluss an der TH München machen.
Die erste Ausbildungsstätte in Wien, die bereits bei ihrer Gründung 1867 weibliche Studierende akzeptierte, war die Kunstgewerbeschule. Die Architekturklassen, geführt von Josef Hoffmann (seit 1898), Heinrich Tessenow (seit 1913) und Oskar Strnad (seit 1914), vertraten, trotz unterschiedlicher Lehrinhalte, einen gesamtumfassenden Ausbildungsanspruch, der das Interieur – vom Möbel bis zum Vorhang – ebenso mitbedachte, wie städtebauliche Aspekte, und damit eine ganze Generation von ArchitektInnen prägte. Die sozialdemokratische Bildungspolitik während der Ersten Republik unterstützte einen leichteren Zugang für Frauen und förderte damit einen Öffnungsprozess, der nicht mehr aufzuhalten war. Die Technische Hochschule in Wien nahm Frauen ab 1919/20 auf. Dass sich die Akademie der Bildenden Künste mit dem Studienjahr 1920/21 für Studentinnen öffnete, hatte mehr mit einem Erlass des Bundesministeriums für Inneres und Unterricht zu tun als mit der Bereitschaft der Professoren der Akademie. Die Berufswelt außerhalb der Universitäten, Hochschulen und Akademien war weniger aufgeschlossen, Frauen anzuerkennen. Nur wenige schafften es als selbstständige Architektin zu reüssieren, das hatte nicht nur mit Vorurteilen gegenüber Frauen in der Arbeitswelt zu tun, sondern auch mit einem engen Rollenverständnis, welches Frauen Erwerbsarbeit durchaus zugestand, allerdings hauptsächlich dort, wo sie als dienende, ausgebeutete und zuarbeitende Arbeitskraft eingesetzt war, vielfach im Haus. Als eigenständige, Aufträge erteilende Vorgesetzte, das konnten sich nur die wenigsten vorstellen. Ein oft gewählter Ausweg war die Hinwendung zur Innenraumgestaltung, eine Anstellung im öffentlichen Dienst und Partnerschaften mit männlichen Kollegen...
Das Forschungsprojekt: Bisher fehlte eine systematische Aufarbeitung zu den weiblichen Studierenden. Das Forschungsprojekt “Architektur Pionierinnen in Österreich. Österreichische Architektinnen – suchen und sichtbar machen, Phase 1: Architektur Pionierinnen in Wien” konnte in seiner 1. Phase 204 Frauen, die im Zeitraum von 1913 bis 1937/1938 in Wien eine Architekturausbildung erhielten, in den Akten finden. Davon haben 93 an der Kunstgewerbeschule, 103 an der Technischen Hochschule und 16 an der Akademie der Bildenden Künste studiert. Diese Zahlen beinhalten sowohl Frauen, die nur kurz studierten, als auch solche, die das Studium abschlossen. 8 Frauen studierten an mehreren Architekturausbildungsstätten, 5 konnten sogar zwei Studienabschlüsse in Wien vorweisen. Insgesamt 5 Frauen, die vor 1938 inskribierten, promovierten zwischen 1935 und 1947. 9 Frauen konnten einen Studienabschluss im Ausland erreichen.
Forschungsteam: Das Forschungsprojekt wird seit März 2021 am Margarete Schütte-Lihotzky Zentrum unter der Leitung von Architektin Christine Zwingl durchgeführt. Projektmitarbeiterinnen waren Sabina Riss, Architektin, Architekturforscherin, TU Wien; Carmen Triffina, Masterstudentin der Architektur, TU Wien; und ist aktuell Christine Oertel, Zeithistorikerin.