MEDIA REVIEW

Experimentieren Erforschen Erfinden

Zum einen wird das Ziel: Klimaneutralität aus verschiedenen Blickwinkeln beleuchtet: Ein Forschungsprojekt widmet sich dem innovativen Konstruieren mit Holz, ein weiteres untersucht kritisch die Baubranche und deren Einfluss auf das Klimageschehen, das dritte wiederum stellt die Landschaftsarchitektur als in diesem Kontext positive Disziplin vor. Zum anderen werden zwei weitere Bücher ganz unterschiedlichen Inhalts vorgestellt und – nicht nur zur sommerlichen – Lektüre empfohlen.

Das künstlerische Forschungsprojekt „Conceptual Joining – Holzstrukturen im Experiment“ an der Universität für angewandte Kunst Wien nahm die eigenwilligen Eigenschaften von Holz zum Ausgangspunkt, um mit dem nachhaltigen Baustoff eine neue „architektonische Ästhetik“ zu erproben. Der Fokus lag auf der Untersuchung von Fügetechniken und Astgabel-Formationen. Um die inhärente Materiallogik in neue physische Strukturen zu übersetzen, arbeitete das interdisziplinäre Team mit wechselseitigem Einsatz von analogen Techniken (z.B. physischer Modellbau) und digitalen Tools (u.a. Simulationen und CNC-Fertigung). Arbeitsprozesse sowie Ergebnisse sind in der Publikation einzusehen, ergänzt durch Gastbeiträge aus unterschiedlichen Disziplinen, die die Potenziale und Eigenschaften von Holz(-verbindungen) als experimentelles Baumaterial diskutieren. Die schöne grafische Gestaltung macht mit verschiedenartiger Typografie und Papierwahl die inhaltliche Gliederung der komplexen Materie gut ablesbar.

 

 

 

L. Allner, C. Kaltenbrunner, D. Kröhnert, P. Reinsberg, Institute of Architecture, Institute of Art Sciences and Art Education an der Univ. für angewandte Kunst Wien (Hg.)
Conceptual Joining –Wood Structures from Detail to Utopia / Holzstrukturen im Experiment
256 Seiten, Deutsch/Englisch,
Birkhäuser Verlag, € 39,95

Als nahezu undurchführbar schien das Ansinnen des deutschen Architekten und Bauingenieurs Werner Sobek: eine aktuelle weltweite Fakten- und Datensammlung zu erstellen, welche die Auswirkungen des Bauwesens auf das Klimageschehen veranschaulicht. Sobek gilt als Pionier des nachhaltigen Bauens, lange vor der inflationären Verwendung des Begriffs. Das Ergebnis liegt nun vor in Form der Publikation „non nobis – über das Bauen in der Zukunft. Ausgehen muss man von dem, was ist“. Den Auftakt machen Daten zur Weltbevölkerung, sodann werden die gängigen Baustoffe einer komplexen Analyse unterzogen (Umfang der Produktion und Verwendung in der Bauindustrie, Anteil der CO2-Emissionen etc.), um abschließend dem Emissionsverhalten eines Bauwerks in seinen Lebensphasen nachzugehen. Das überwältigende Zahlenmaterial ist in der Abstraktheit des Vergleichs allerdings nicht immer leicht nachzuvollziehen. Es eröffnet auf alle Fälle unerwartete Erkenntnisse über das Bauwesen als „Klimasünder“ (für mehr als 50 % des weltweiten Energieverbrauchs verantwortlich).

 

Werner Sobek
Non nobis – über das Bauen in der Zukunft. Band 1
292 Seiten, Deutsch,
Avedition, € 49,–

Das Buch “Resilient City. Landscape Architecture for Climate Change“ zeigt anhand von elf Städten in Nord- und Südamerika das große Potential der Disziplin Landschaftsarchitektur im Kampf gegen die Auswirkungen des Klimawandels. Die Landschaftsarchitektin Elke Mertens umreißt mit einer sozio-politischen Einführung den Kontext der jeweiligen Städte, führt im Weiteren die Auswirkungen des Klimawandels vor Augen (Wetterextreme, Überflutungen, Lebensmittelknappheit etc.), um dann die vielfältigen Lösungsansätze aufzuzeigen: In Medellín sind es neben den Transportsystemen u.a. die Grünen Korridore, Detroit befasst sich mit stadtsouveränem Obst- und Gemüseanbau, einige Städte verfügen mittlerweile über ausgedehnte Parksysteme als kritische Hochwasserschutzinfrastrukturen, wie z.B. in New York (Hunter’s Point South Park) oder in Houston (Buffalo Bayou Parks, ein 160 Hektar großes Freizeitareal). Nachfolgewirkungen erwünscht!

 

 

 

Elke Mertens
Resilient City. Landscape Architecture for Climate Change
240 Seiten, Englisch,
Birkhäuser Verlag, € 42,95

Zu den beiden „Extras“: Christoph Laimer (u.a. Gründer und Chefredakteur der Stadtzeitung dérive) und Andrej Holm (Sozialwissenschaftler und wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Humboldt-Universität Berlin) bündelten 2019 im Rahmen eines Forschungsstipendiums der Immobilien Privatstiftung ihre Expertise: Das Ergebnis, die Publikation „Gemeinschaftliches Wohnen und Selbstorganisiertes Bauen“, spannt das Thema weit auf beschäftigt sich in Beiträgen von Expertinnen und Experten mit u.a. neuen räumlich-sozialen Organisationsformen, mit dem Begriff Eigentum sowie dem des Gemeinguts (Commons) und behandelt Fragen zu Rechtsformen, solidarischen Ökonomien oder alternativen Finanzierungsinstrumenten. Die Beispiele – die neue Wohnform wird als potentieller künftiger Stadtbaustein verstanden – umfassen Projekte aus dem deutschsprachigen Raum. Ein themenspezifisches Glossar rundet die fundierte Publikation ab.

 

 

 

 

 

 

A. Holm, Ch. Laimer (Hg.)
Gemeinschaftliches Wohnen und selbstorganisiertes Bauen
257 Seiten, Deutsch,
TU Wien Academic Press, € 19,50

Zu guter Letzt ein in Wort und Bild wahrhaftes Gustostückerl: „Carlo Mollino. Architect and Storyteller” erlaubt ein tiefes Eintauchen in das architektonische Werk sowie gleichermaßen in die Persönlichkeit eines vielfach Begabten. Die Projekte des Turiners Mollino (1905–1973), bekannt als Designer, Photograph, Essayist, ja sogar Rennfahrer und Kunstflieger, werden hier mit großartigem Archivmaterial (aus dem gleichnamigen Archiv) vorgestellt. Das Buch führt in eine Welt, die jedoch großteils nicht mehr erhalten ist: Die wenig realisierten Bauten (die Werkliste führt die Vielzahl seiner unrealisierten Entwürfe vor Augen) sind entweder abgebrochen (z.B. Reitclub Turin, 1938–40) oder nachhaltig verändert (z.B. Auditorium RAI, 1959–52). Umso mehr wird die sinnlich aufbereitete Publikation zu einem Zeugnis eines Architekten, dem als einer der Wegbereiter einer italienischen Moderne die Aufnahme in den Kanon verwehrt blieb.

 

 

 

 

Napoleone Ferrari, Michelangelo Sabatino
Carlo Mollino. Architect and Storyteller
456 Seiten, Englisch,
Park Books, € 85,–

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