Die Debatte um leistbaren Wohnraum in Städten ist weltweit ein vieldiskutiertes Thema – über Auswirkungen der Sharing-Plattform Airbnb auf Entwicklungen am Wohnungsmarkt, sprachen wir mit Justin Kadi, Assistenzprofessor an der Fakultät für Raumplanung der TU Wien, mit Forschungsfokus auf Wohnungspolitik sowie soziale und räumliche Ungleichheit.

Welche Auswirkungen haben Plattformen wie Airbnb auf den Wohnungsmarkt und die Gentrifizierung von Stadtvierteln?

Plattformen wie Airbnb sind ins Tourismusgeschäft eingestiegen mit der Botschaft: wir vermitteln überschüssigen Wohnraum an TouristInnen, etwa in Form eines extra Betts oder eines extra Zimmers in einem bewohnten Apartment, das kurzfristig untergemietet wird. Ähnlich wie nicht-kommerzielle Sharing-Plattformen wie etwa Couchsurfing. Die Auswirkungen dieses Geschäftsmodells auf den Wohnungsmarkt sind begrenzt. Über die Jahre hat sich Airbnb jedoch gewandelt. Ein wichtiger Teil des Angebots sind mittlerweile ganze Wohnungen, die in vielen Fällen nicht mehr nur kurzfristig, sondern permanent als Ferienwohnungen vertrieben werden. Das hat Auswirkungen auf den Wohnungsmarkt und die Lebenssituation von BewohnerInnen in betroffenen Häusern bzw. Stadtvierteln. In der Forschung unterscheiden wir drei Dimensionen: Erstens führt die langfristige Vermietung von Wohnungen als Ferienunterkünften zu einer Verknappung des Wohnungsangebots und damit zu steigenden Mieten und Verdrängung. Airbnb ist in vielen Städten in bestimmten Vierteln konzentriert. Auch in Wien ist das der Fall. Dort sind solche Verknappungseffekte dann besonders spürbar. Zweitens gibt es direkte soziale Folgen: Werden in einem Haus mehrere Wohnungen dauerhaft als Ferienwohnungen vermietet, verändert das den Charakter des Hauses und der Hausgemeinschaft, die Nachbarschaftsbeziehungen verändern sich. Unruhe und Lärm etwa durch Überbelag, hohe Fluktuation, Abreise und Ankunft am Tagesrand oder in der Nacht und abweichendes Nutzungsverhalten in der Urlaubssituation können zu Konflikten führen. Darüber hinaus entstehen häufig höhere Betriebskosten durch intensivere Nutzung, die von der Hausgemeinschaft getragen werden (z.B. durch höheres Müllaufkommen). Drittens verändern Airbnb Wohnungen, insbesondere wenn sie räumlich konzentriert sind, den Charakter der Nachbarschaft. Die gewerbliche Vermietung befördert häufig eine Restrukturierung öffentlicher Räume zu Erlebnis- und Konsumzonen für TouristInnen. Das lokale Angebot ändert sich und wird stärker an den Bedürfnissen der neuen NutzerInnen ausgerichtet. Alle drei Dimensionen sind wichtig zu betrachten, für die Frage, wie sich Airbnb auf den Wohnungsmarkt und die Lebenssituation in Nachbarschaften auswirkt.

Sehen Sie in Airbnb den Haupttreiber für die angespannte Wohnsituation vieler Städte oder tragen Investorenimmobilien und sozialpolitische Entscheidungen doch noch einen größeren Beitrag zur Wohnungsnot bei?

Airbnb kann, wie bereits besprochen, unterschiedliche negative Auswirkungen auf den Wohnungsmarkt haben. Diese Erkenntnis ist erst einmal wichtig, denn sie ist auch das Ergebnis jahrelanger kritischer Forschung, die diese Auswirkungen empirisch nachgewiesen hat und damit geholfen hat, dass Airbnb auf die politische Agenda gesetzt wird. Erst deswegen diskutieren wir heute darüber. Airbnb selbst unternimmt seit Jahren große Anstrengungen diese Debatte einzudämmen und gegen entsprechende Regulierungen zu arbeiten, die ihr Geschäftsmodell schmälern würden. Gleichzeitig ist Airbnb natürlich nicht der einzige Faktor für die angespannte Wohnsituation in Städten. Oft sind es auch einzelne Stadtviertel, die besonders von Airbnb betroffen sind und nicht die gesamte Stadt. Airbnb ist aus meiner Sicht aber Ausdruck einer größeren Entwicklung, die problematisch ist für die Wohnsituation in Städten: Wohnungen werden zunehmend als Investitionsobjekt betrachtet, ermöglicht durch entsprechende Regulierungen, und Investoren strömen in den Markt, um mit Wohnungen hohe Renditen zu erwirtschaften. Manche Eigentümer machen das über teure Mietwohnungen für die reguläre Wohnnutzung, andere über Airbnb Wohnungen. Die dahinterliegenden Gründe sind aber dieselben und die gilt es kritisch zu betrachten und politisch zu bearbeiten...

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