MEDIA REVIEW

Österreichs Architekten

Die Baukultur der Alpenrepublik erwächst aus dem gesellschaftlichen Konsens, dass Umweltgestaltung große soziale Relevanz besitzt. So sind es nicht allein die BaukünstlerInnen, die eine immer noch weitgehend funktionierende und schöne Lebenswelt schaffen. Aber sie sind die zentralen Träger und Umsetzer von Baukultur – und Österreich ist nach wie vor ein Land großer Architekten. Sechs neue Monografien beweisen das einmal mehr höchst eindrücklich.


Eine Auswahl von Matthias Boeckl

Gemeinsinn und gesamtgesellschaftliche Verantwortung des Bauens sind zentrale Themen des Buches Gebaut für alle. Curt Kühne und Julius Schulte planen das soziale Linz (1909-1938). Von der Heimatschutz-Romantik bis zum Expressionismus reicht das höchst zeittypische Ausdrucksspektrum dieser Pioniere nachhaltiger Kommunalbauten. Rathäuser und Schulen, eine Volksküche und zahlreiche Wohnsiedlungen, ein Volkshaus und öffentliche Bäder, eine Markthalle und eine Brauerei sind die typischen Bauaufgaben, denen sich der Linzer Stadtbaudirektor Curt Kühne und Oberstadtbaurat Julius Schulte widmeten. Eine opulente, begeisternde und inspirierende Präsentation, die unsere Augen für viele fast vergessene ästhetische und funktionale Qualitäten öffnet.

 

 

 

 

 

 

Nordico Museum (Hg.)
Gebaut für alle. Curt Kühne und Julius Schulte planen das soziale Linz (1909-1938)
207 Seiten, deutsch
Verlag Anton Pustet, € 29,-

Ein weiteres Thema der klassischen Moderne war das Terrassenhaus als vielseitig-ökonomischer Bautyp. In Österreich wurde es etwa von Adolf Loos und Josef Frank propagiert. In den 1960er Jahren entsann man sich dessen und sah ihn erneut „als Lösung schlechthin im Wohn- und Städtebau, die Ressource Boden zu schonen, individuellen und gemeinschaftlichen Bedürfnissen Raum zu geben sowie die Stadt auf effiziente Weise grüner zu machen“, erklären Maria Welzig und Gerhard Steixner. Harry Glück war damals der Pionier dieser Bauweise in Wien und wurde erst nach einer postmodernen Kritikwelle wiederentdeckt. Gemeinsam mit der Werkgruppe Graz, Wilhelm Holzbauer und anderen Baukünstlern ist er nun verdienstvoll im Buch Luxus für alle. Meilensteine im europäischen Terrassenwohnbau rehabilitiert, seine Bauten sind ausführlich dokumentiert.

 

 

 

 

 

Gerhard Steixner, Maria Welzig (Hg.)
Luxus für alle. Meilensteine im europäischen Terrassenwohnbau
458 Seiten, deutsch
Birkhäuser Verlag, € 39,95

Der Süden Österreichs schenkt uns die Monografie felix orsini-rosenberg 1919-2020. aus dem Leben und dem Archiv … . Der Architekt „zählte zweifelsohne gemeinsam mit Karl Hack zu den prägendsten Personen, die zu einer aufgeschlossenen Denkweise über Architektur und ihre Entwicklung nach dem Zweiten Weltkrieg in Kärnten beitrugen“, erklärt Peter Nigst, Obmann des Bauarchivs Kärnten, die Motivation des Buches. Orsini-Rosenberg entwarf und baute innovative kirchliche Projekte, aber auch eine Schule und einige Wohnhäuser sowie Kärnten-typische Badehäuser am Wörthersee und Wettbewerbsprojekte, etwa für die Universität Klagenfurt. Zahlreiche Skizzen aus dem Nachlass, aber auch wichtige Manuskripte und Einblicke in die engere Lebenswelt um Schloss Damtschach, die Orsini-Rosenberg und seine kunstsinnige Familie aktiv prägten, vermitteln anschauliche Eindrücke aus Leben und Werk eines großen Idealisten und Humanisten.

 

Peter Nigst, Axel Hubmann (Redaktion)
felix orsini-rosenberg 1919-2020. aus dem Leben und dem Archiv …
208 Seiten, deutsch
Album Verlag, € 25,-

Auch Hermann Czech, seit Jahrzehnten der „intellektuellste“ Architekt Österreichs, schrieb viel und intensiv. Claudia Mazanek unternahm es verdienstvoll, nach dem Band „Zur Abwechslung“ (1996) nun zum 85. Geburtstag des Autors eine weitere Textesammlung herauszugeben: Ungefähre Hauptrichtung. Schriften und Gespräche zur Architektur. Oft geht es hier um ethische Fragen, um die „Wahrheit“, die Architekten seit Anbeginn der Moderne suchen. Im Vorwort reflektiert Czech den Nutzer sogar „als Adressat einer Wahrhaftigkeit, und sei es einer zynischen“. Christian Kühn analysiert dieses Denken am Ende des Buches im Abdruck einer Laudatio. Dazwischen sind 41 Texte von Czech abgedruckt, die sich stets Grundfragen der Architektur und kulturellen Kategorien wie dem „Komfort“ widmen, selbst wenn sie vordergründig einem Architekten oder einem Werk gewidmet sind. Besonders produktiv erweist sich Czechs Fundamentaldenken im Dialog mit Geschichte, etwa bei einem Essay über das Gutachterverfahren zur Neubebauung der ehemaligen SS-Kasernenanlage des Konzentrationslagers Sachsenhausen bei Berlin (1992/93).

Hermann Czech
Ungefähre Hauptrichtung. Schriften und Gespräche zur Architektur
168 Seiten, deutsch
Löcker Verlag, € 29,80

Der 1939 geborene Architekt Artur P. Duniecki gründete nach Praxisjahren bei Karl Schwanzer, Wilhelm Holzbauer sowie Stevenson & Gibney (Dublin) im Jahre 1975 sein eigenes Büro in Wien. Sein Sohn Peter Duniecki und der renommierte Architekturforscher Otto Kapfinger initiierten nun die Monografie Artur Paul Duniecki. Architekt. In einem ausführlichen Essay ordnet Kapfinger das beeindruckende Oeuvre zwischen den „Roaring Sixties“ und „poetischen Antworten“ auf die „kommerzielle Welt“ gewohnt kenntnisreich und empathisch ein. Das Buch präsentiert über 40 Projekte mit den Schwerpunkten Wohnbau, Bildungsbau, Retail (Kika, Leiner), Banken (Z, Bank Austria) und Städtebau, die zwischen 1975 und 2013 entstanden, in Bild & Text, ein Werkverzeichnis dokumentiert das Gesamtwerk. Kapfinger resümiert, dass es „semantische und existenzielle Pole des Seins in sich inkorporiert“.

 

 

 

Peter Duniecki, Otto Kapfinger (Redaktion)
Artur Paul Duniecki. Architekt
279 Seiten, deutsch
Birkhäuser Verlag, € 42,-

Auch der Tiroler Architekt Peter Lorenz, Jahrgang 1950, legt im Buch PASSION for SPACE Zeugnis seiner Leidenschaften ab und resümiert 40 Jahre intensiven Architekturschaffens mit seinem Büro Lorenzateliers in Wien und Innsbruck. Christian Kühn analysiert im Essay „Innsbruck … by the sea“ die konträren, aber auch komplementären biografischen Prägungen des Architekten in Triest und Tirol. Auch Maik Novotny, Bernd Riessland, Miran Gajšek und Janez Koželj steuerten Texte zu dieser markant in zentimeterdicke Wabenpappe gebundenen Zwischenbilanz bei. Mit Partnerin Giulia Decorti hat sich das mediterrane Standbein des Büros noch intensiviert. Die über 40 ausführlich dokumentierten Projekte sind sieben Themenbereichen zugeordnet, von denen einer Triest gewidmet ist. Die typologische Palette ist breit und innovativ, es dominieren Bildungsbauten und höchst anspruchsvolle Retailprojekte, die jüngst auch mit Wohnfunktionen ergänzt werden. So gelingt auch die erneute Vernetzung österreichischen Bauschaffens im alten Kultur- und Resonanzraum der Donaumonarchie.

 

 

 

Lorenzateliers
PASSION for SPACE
275 Seiten, deutsch und englisch
Deutscher Architektur Verlag, € 42,-

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