Journal Preview

Vorgespannt und ungebrannt – ein Ofenturm aus Lehm

Lehmbau erfährt seit einigen Jahren ein Comeback, doch fehlt es oft an innovativen Entwicklungen im zeitgenössischen Bauen mit dieser ungenutzten Ressource. Boltshauser Architekten AG und der Verein Ofenturm Ziegelei-Museum Cham (Schweiz) haben nun das erste vorgespannte Lehmbauwerk realisiert: Gemeinsam mit Studierenden der TU München und der ETH Zürich wurde ein Turm entworfen, der Ausstellungsraum, Aussichtsplattform sowie fortwährendes Forschungsobjekt zugleich ist.

Statische Elemente und ästhetische Gestaltung verschmelzen und kreieren die horizontale und vertikale Gliederung des Gebäudes. © Kuster Frey

Archaisch anmutend steht der neue Ofenturm des Ziegelei-Museum Cham auf der Wiese zwischen den Bestandsgebäuden, bei näherer Betrachtung werden die technischen Raffinessen sichtbar. Auf Betonstreifenfundamenten ragt die Hybridkonstruktion mit Grundmaßen von 4,5 mal 14 m knapp 9 m in die Höhe. Beachtliche Proportionen, die dank Stahlseilen Erdbebenlasten standhalten können, indem sie den nur auf Druck belastbaren Stampflehm vorspannen: konstruktive Logik und architektonischer Ausdruck vereint. Die Wandstärke verjüngt sich nach oben hin, was den Turm höher wirken und die Stahlseile stärker in Erscheinung treten lässt. Nicht nur die Bauweise war ein Experiment, auch nach der Fertigstellung dient der Turm als Forschungsobjekt. Ingenieure des Tragwerksplaners seforb s.à r.l. überprüfen regelmäßig das Setzungs- und Kriechverhalten des Lehmes. Bei Bedarf können die Stahlseile nachadjustiert werden.


Ästhetik der Materialität


Weitere Innovation des Turms ist der Stampflehm selbst, entwickelt und hergestellt von Lehmag AG. Er besteht aus 65% Mischabbruch, seine Ecken sind mit Trasskalk verstärk. Da sich das Bauwerk außerhalb der Bauzone befindet, gaben die Behörden eine temporäre Baubewilligung für zehn Jahre. Die Not wurde zur Tugend und der erste rückbaubare Lehmelementbau entworfen. Die beim Stampfen als Fundation dienenden Grundplatten wurden nicht wie sonst nach dem Trocknungsprozess entfernt, ermöglichten den einfachen Transport der 91 vorfabrizierten Stampflehmelemente und garantierten die zukünftige Rückbaubarkeit. Daran befestigte Tropfnasen verstärken die Rasterung der Fassade, mit den Zugseilen verspannt sind die Wandelemente unter einem ausgesteiften Ringanker aus Holz eingekeilt. Stahlelemente kehren im Inneren wieder, so führt eine Stahlwendeltreppe vor dem gebäudehohen Ofen an der Hinterwand des Turms zur darauf befindlichen Plattform und in die Seile eingehängte Stahlrahmen halten Ausstellungsobjekte...

Der Ofenturm ist statisch mit Stahlseilen vorgespannt und verjüngt sich in typischer Lehmbauweise nach oben hin. © Kuster Frey

Das könnte Sie auch interessieren

Newsletter Anmeldung

Wir informieren Sie regelmäßig über Neuigkeiten zu Architektur- und Bauthemen, spannende Projekte sowie aktuelle Veranstaltungen in unserem Newsletter.

Als kleines Dankeschön für Ihre Newsletter-Anmeldung erhalten Sie kostenlos ein architektur.aktuell Special, das Sie nach Bestätigung der Anmeldung als PDF-Dokument herunterladen können.