Interview: Andrea Jany und Paul Pfaffenbichler
Geboren aus einem Klimavolksbegehren 2020, traf sich dieses Jahr der erste Klimarat Österreichs und erarbeitete insgesamt 93 Handlungsempfehlungen mit dem Ziel der Klimaneutralität Österreichs bis 2040. Besprochen wurden klimarelevante Fragen aus den Handlungsfeldern Energie, Konsum und Produktion, Ernährung und Landnutzung, Wohnen sowie Mobilität. Die per Zufallsprinzip ausgewählten BürgerInnen aus allen Regionen und Teilen der Gesellschaft wurden vom wissenschaftlichen Beirat, einer Gruppe ExpertInnen verschiedener Fachrichtungen, unterstützt.
Mit Andrea Jany, Architektin und Wohnbauforscherin, als Expertin im Handlungsfeld Wohnen und Paul Pfaffenbichler, Verkehrs- und Mobilitätsforscher, als Mobilitätsexperte, waren wir im Gespräch über ihre Erfahrungen als Mitglieder des wissenschaftlichen Beirats und die Hürden, denen sich Städte in Sachen Klimaneutralität gegenübersehen.
Sind Sie mit den Empfehlungen des Klimarats im Handlungsfeld Mobilität/ Wohnen einverstanden? Sehen Sie alle Empfehlungen als sinnvoll und realistisch an und würden Ihrer Meinung nach noch weitere Punkte fehlen?
[Pfaffenbichler]: Ich bin grundsätzlich sehr zufrieden mit den Handlungsfeldern, die die BürgerInnen des Klimarats zum Bereich Mobilität ausgearbeitet haben, es umfasst alle Bereiche, die meiner fachlichen Ansicht nach wesentlich sind. Besonders wichtig war den BürgerInnen zu vermitteln, dass eine möglichst große Bandbreite an Handlungsempfehlungen notwendig ist, aus denen dann konkrete Maßnahmen destilliert werden können. Ein einzelner Maßnahmenbereich allein ist nicht ausreichend, um die Treibhausgasemissionen innerhalb sehr kurzer Zeit auf nahezu null zu senken. Um dies besser zu veranschaulichen haben wir uns die Darstellung eines Dreiecks zunutze gemacht, was auf eine Idee meines Kollegen Sebastian Seebauer zurückgeht. Die Fläche des Dreiecks zeigt die Wirksamkeit der Maßnahmenkombinationen. Eine Seite des Dreiecks sind die Pull-Maßnahmen, eine weitere die Push-Maßnahmen und die dritte Seite die technologischen Maßnahmen. Wenn man eine Seite eines Dreiecks verkürzt, verkleinert sich die Fläche des Dreiecks rapide. Um die volle Wirksamkeit der Maßnahmen zu erreichen, müssen hier alle Seiten des Dreiecks im Idealfall gleich lang sein.
[Jany]: Wir im wissenschaftlichen Beirat des Klimarats haben in den einzelnen Handlungsfeldern die Hebel hin zur Klimaneutralität Österreichs aufgezeigt. Die vorliegenden Empfehlungen wurden zu den aktuellen und notwendigen Hebeln im Handlungsfeld Wohnen sehr umfangreich von den BürgerInnen ausgearbeitet. Die Bandbreite der 18 Empfehlungen zeigt auf, wie komplex und vielschichtig die Thematik Wohnen ist. Die Themen spannen sich von der Sanierungsoffensive über den Stopp der Bodenversiegelung bis hin zur Förderung von Couhousing-Projekten, dem Ausbau von Bildungsangeboten sowie dem Denkmalschutz. Einzelne Maßnahmen allein werden nicht reichen, um die Klimaneutralität zu erreichen. Es benötigt immer ein Maßnahmenbündel – innerhalb des Handlungsfeldes aber auch darüber hinaus. Zum Beispiel hängt die Nutzung des Grund und Bodens, Stichwort Zersiedelung, stark mit dem notwendigen Mobilitätsverhalten im Alltag und möglicher landwirtschaftlicher Flächen für die Ernährungssouveränität zusammen. Alle erarbeiteten Empfehlungen sind aus meiner fachlichen Sicht sinnvoll und realistisch und sollten zügig in die Umsetzung kommen.
Gibt es eine Empfehlung der BürgerInnen die Sie als besonders wichtig zur Erreichung der Klimaziele erachten?
[Pfaffenbichler]: Die Handlungsempfehlungen bewegen sich natürlich auf unterschiedlichen Wirkungsebenen. Die BürgerInnen des Klimarats haben auch, mitunter in anderen Handlungsfeldern, die Änderung der Raumordnung ins Spiel gebracht. Dies wäre eine sehr wirksame, aber auch langfristige Maßnahme, weshalb man auch Maßnahmen setzen muss, die kurzfristiger wirken, wie etwa eine CO2 Besteuerung, Parkraumbewirtschaftung und Ausbau des öffentlichen Verkehrs. Ein großer Teil der Probleme, die wir heute im Verkehr haben, kommen daher, dass immer weniger zu Fuß gegangen wird. Das hat viel mit der aktuellen Raumordnung und der Art wie wir Raum planen zu tun. Zersiedelung, Shoppingcenter in der Peripherie und aussterbende Ortskerne verhindern die Möglichkeit, Wege des täglichen Bedarfs zu Fuß zurückzulegen, woraus eine vermehrte PKW-Nutzung resultiert.
[Jany]: Meines Erachtens ist jede Empfehlung, welche ausgearbeitet und einstimmig seitens der BürgerInnen beschlossen wurde richtig und wichtig. Der große Wunsch wäre die Umsetzung aller 93 Handlungsempfehlungen, da diese nur als Bündel ihre notwendige und gesamte Wirkung entfalten können. Der Beginn einer Umsetzung von Einzelempfehlungen kann hierbei einen Anstoß geben, sollte aber immer in einer zeitlichen Koordination mit den anderen Empfehlungen erfolgen. Für diese zeitliche Koordination würde meine Empfehlung lauten, die vorliegende Liste der 18 Empfehlungen im Bereich Wohnen in der Durch- bzw. Abarbeitung in der aktuellen Reihung laut Endbericht durchzuführen und umzusetzen...