Das verwendete Material verleiht Gebäuden ihren unverwechselbaren Charakter, beeinflusst aber auch entscheidend ihre ökologische Performance und Klimaverträglichkeit. Nachfolgend sechs neue Bücher zu nachhaltigen und innovativen Baustoffen und ihrer gelungenen Verwendung in der Architektur. Eine Auswahl von Christian Schittich. 


 

 

Mit seiner positiven Ökobilanz gehört der nachwachsende Rohstoff Holz zu den wichtigsten Hoffnungsträgern für zukünftiges Bauen. Gleichzeitig sind im Holzbau Digitalisierung und Vorfertigung weiter vorangeschritten als im Rest der Bauwirtschaft, ganze Einheiten inklusive Installation und Ausbau werden hier bereits im Werk vorfabriziert. Doch speziell der Holzelementbau stellt besondere Anforderungen an die Planung und deren Abläufe. Die notwendigen Kenntnisse dazu, speziell für ArchitektInnen vermittelt der von Mario Rinke und Martin Krammer herausgegebene Band „Architektur fertigen. Konstruktiver Holzelementbau“. Wie ein Leitfaden begleitet er den Planungsprozess und lässt dabei zahlreiche Experten vom Entwerfer über den Holzbauingenieur bis zu Vertretern ausführender Firmen zu Wort kommen. Eine ebenso fundierte wie schön gestaltete Publikation, die zeigt, dass auch technisch orientierte Bücher nicht trocken daherkommen müssen.

Mario Rinke, Martin Krammer (Hg.)
Architektur fertigen. Konstruktiver Holzelementbau
188 Seiten, Deutsch, Triest Verlag, € 60,–

 

 

Das gilt auch für das Buch „Gewerbe­bauten in Lehm und Holz: Mehrwert durch Material“, das als Bauband 3 der Deutschen Bundesstiftung Umwelt erschienen ist. Lehm und Holz sind nicht gerade die typischen Baustoffe für Büro- und Werkstattgebäude oder Lagerhallen, dabei bieten sie eine Menge an Vorteilen: Sie eignen sich in besonderem Maß für nachhaltiges Bauen, lassen sich in den Stoffkreislauf zurückführen und regulieren Temperatur und Feuchtigkeit in einem Gebäude, wodurch sich der Einsatz von Haustechnik verringert. In der Publikation analysieren die Lehrstühle von Thomas Auer und Hermann Kaufmann an der TU München realisierte Projekte aus dieser ungewohnten Materialkombination und geben darüber hinaus zusammen mit weiteren Experten wertvolle Anleitungen für die Praxis. Das Ergebnis ist ein ebenso informatives wie inspirierendes Fachbuch für alle, die Gewerbebauten möglichst im Einklang mit der Natur verwirklichen wollen.

Sabine Djahanschah (Hg.)
Gewerbebauten in Lehm und Holz: Mehrwert durch Material
168 Seiten, Deutsch, Edition DETAIL, € 49,90

 

 

Um Konstruktionen aus wahren Hightech-Materialien geht es in „Composite Architecture“, allen voran um mit hochfesten Kohle- oder Glasfasern bewehrte Kunststoffe. Aufgrund ihrer enormen Leistungsfähigkeit bieten diese ein riesiges Gestaltungspotenzial sowie die Möglichkeit, ultraleichte Gebilde zu verwirklichen. Der amerikanische Autor Quang Truong, der als Projektleiter im Büro Diller Scofidio + ­Renfro hautnah Erfahrungen mit Verbundstoffen bei der Realisierung futuristischer Projekte sammeln konnte, zeigt das Grundwissen und die Einsatzmöglichkeiten von Composite Materials auf und analysiert bis ins Detail Beispiele renommierter Architekten wie Foster and Partners, Kengo Kuma oder Snøhetta. Bislang ist es vor allem der hohe Preis, der den Einsatz von Kohlefasern im Bauwesen (im Gegensatz zur Automobilindustrie) bremst. Das riesige Potenzial für die Zukunft wird in der Publikation aber erkennbar.

Quang Truong 
Composite Architecture. Building and Design with Carbon Fiber and FRPs
312 Seiten, Englisch, Birkhäuser, € 59,95

 

 

Auch in dem Buch „Spolien. Phänomene der Wiederverwendung in der Architektur“ geht es weitgehend um Material. Der Autor Hans-Rudolf Meier subsumiert unter dem Begriff jegliche Form von rezyklierten, zur Schau gestellten Gebäudeteilen, sodass darunter auch Beispiele wie die Fassaden aus recycelten Holzfenstern am EU-Ratsgebäude von Philippe Samyn in Brüssel (2016) oder die für Wang Shu aus China typischen Mauern aus Abbruchziegeln fallen. Der Schwerpunkt der Publikation – der ersten umfassenden Abhandlung zum Thema Spolien in der Architektur – indes liegt bei der Applikation von künstlerisch oder kunsthandwerklich bearbeiteten Versatzstücken aus der Vergangenheit. Der Autor beschreibt deren Weg von der Spätantike bis zum gegenwärtigen Einsatz bei der Rekonstruktion der Frankfurter Altstadt oder der tiefsinnigen Verwendung historischer Doppelbögen von Hild und K bei einer Wohnbebauung im Münchner Lehel.

Hans-Rudolf Meier
Spolien: Phänomene der Wiederverwendung in der Architektur
240 Seiten, Deutsch, Jovis, € 38,–

 

 

Baustoffe in der Anwendung zeigt der Band „Anupama Kundoo“. Materialforschung im Sinne einer nachhaltigen, kostengünstigen und sozialverträglichen Architektur steht im Mittelpunkt der Arbeit der indischen Architektin, die bei ihren ausdrucksstarken Projekten mit Naturbaustoffen wie Holz, Bambus, Kokospalmblättern oder auch tragenden Bögen aus vorgefertigten konischen Tonteilen experimentiert und einfache Konstruktionen entwickelt, die von den örtlichen Handwerkern ausgeführt werden können. Das englischsprachige Buch entstand als Katalog zur Ausstellung in der Reihe „The Architect’s Studio“, die von Mitte Oktober 2020 bis Ende Jänner 2021 im Louisiana Museum bei Kopenhagen zu sehen war und leider wegen der anhaltenden Pandemie nicht die Aufmerksamkeit erlangte, die ihr zugestanden wäre. Es stellt die wichtigsten Arbeiten in Anupama Kundoos faszinierendem Werk, darunter auch ein Projekt in Spanien, vor.

Louisiana Museum of Modern Art (ed.) 
Anupama Kundoo. The Architect’s Studio
232 Seiten, Englisch, Lars Müller Publishers, € 45,–

 

 

Materialanwendung ganz anderer Art präsentiert die Publikation „meck architekten. Gestimmte Räume“. Denn wo bei Anupama Kundoo das Experiment im Vordergrund steht, sind es bei dem Münchner Büro perfekt ausgearbeitete Details, inszenierte Oberflächen und eine raffinierte Lichtführung, die die verwendeten Baustoffe vom Sichtbeton über Mauerwerk und Holz bis hin zu dreidimensionalen Keramikfliesen zum Sprechen bringen. Das Buch, das im Wesentlichen die bis zum viel zu frühen Tod von Andreas Meck im August 2019 verwirklichten Projekte und Wettbewerbserfolge des Büros beinhaltet, lässt ein ausgesprochen stringentes Werk in den unterschiedlichsten Typologien erkennen. Den Höhepunkt darunter stellen zweifellos die ergreifenden Kirchenräume dar, die auch im internationalen Vergleich zum Besten zählen, das in dieser Kategorie in den vergangenen zwei Jahrzehnten entstanden ist. Die edle Gestaltung der Publikation korrespondiert mit dem Inhalt.

meck architekten (Hg.)
Gestimmte Räume
320 Seiten, Deutsch, Hirmer, € 69,–

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