Baukultur – ein politisches Randthema?
Am 29. September 2019 fanden in Österreich Nationalratswahlen statt. Im Vorfeld hatten fünf Politiker bei einer Diskussion über Baukultur einige konkrete Maßnahmen vorgeschlagen: Nun muss die Architekturgemeinde sie beim Wort nehmen!
Die Diskussion wurde von der Plattform Baukulturpolitik am 3. September im Architekturzentrum Wien veranstaltet. Vier der damals im Parlament vertretenen Parteien (ÖVP, SPÖ, FPÖ, Neos) sowie die Grünen entsandten Vertreter, die sich für diese „Querschnitts“-Materie zuständig fühlen. Tatsächlich kompetent, weil in der Praxis täglich mit Baufragen konfrontiert, erwiesen sich jedoch nur zwei davon: die erfahrene Vorarlberger Kommunalpolitikerin und Landtagsabgeordnete Nina Tomaselli (Grüne) und der Developer sowie Nationalratsabgeordnete Andreas Ottenschläger (ÖVP). Die anderen Parteien schickten Generalisten, die entweder über unverbindliche Allgemeinplätze nicht hinauskamen (Ex-Bundesgeschäftsführer Thomas Drozda, SPÖ, sowie der Physiker, Energiepolitiker und Wiener Landtagsabgeordnete Stefan Gara, Neos) oder fachlich kaum etwas über zum Thema beitragen konnten (Notariatskandidat und Nationalratsabgeordneter Philipp Schrangl, FPÖ).
Moderatorin Rosa Lyon vom ORF rief in der rund 100-minütigen Veranstaltung die Parteienpositionen zu fünf Themenkreisen ab: zum Grundverständnis von Baukultur, zu Flächenverbrauch und Raumordnung, zu den politischen Steuerinstrumenten, zu Finanzierungsmodellen sowie zur Förderung der Vermittlungsarbeit für Baukultur. Die konkretesten Statements dazu kamen von den Vertretern der Grünen und der ÖVP: Nina Tomaselli lieferte brauchbare Definitionen (Baukultur ist alles, was zur Lebensqualität beiträgt), benannte die virulentesten Probleme (Raumordnung als kontroversielles politisches Projekt wegen Zuständigkeits-Zersplitterung, wobei „§15a“-Vereinbarungen zwischen Bund, Ländern und Gemeinden möglich wären, Baulandüberhang versus Nachverdichtungsbedarf) und skizzierte kreative Baukultur-Strategien (Neudefinition der Kommunalsteuern, Reformen der Baurichtlinien und Förderkriterien, Baudebatten öffentlich inszenieren). Andreas Ottenschläger, der oft mit kreativen Architekten zusammenarbeitet, thematisierte Zielkonflikte der Förderungen zwischen Qualitätssteigerung und Wirtschaftlichkeit, erkannte ebenfalls die Raumordnung als zentrales Steuerungsinstrument und betonte die Notwendigkeit einer bürgerverträglichen Verdichtung. Die Politik sollte nur Ziele und Rahmenbedingungen definieren, die von Fachleuten im Detail umgesetzt würden, lokale Bauordnungen gingen oft zu weit in den Vorschriften.
fünf Themenkreise der Diskussion:
Grundverständnis von Baukultur
Flächenverbrauch und Raumordnung
politische Steuerinstrumente
Finanzierungsmodelle
Förderung der Vermittlungsarbeit für Baukultur
Zu wenig sattelfest und weitgehend ohne konkrete Ideen präsentierten sich leider die übrigen Politiker. Thomas Drozda erwähnte Kompetenzbereinigungen, das West-Ost-Gefälle in der Bauqualität und die Förderkriterien. Er forderte generelle „Awareness“ sowie Umsatzsteuer-Streichung für Mieten. Philipp Schrangl betonte die generelle Notwendigkeit von Verdichtungen und wünschte sich die Förderung des ländlichen Raums. Er sprach sich für Zentralisierung der Raumplanung beim Bund aus, auch eine Mietrechtsreform sowie strengere Regeln für private Bauherren kommen für ihn in Frage. Stefan Gara forderte mehr Bürger-Partizipation, punktuelles Rückbauen für Klimaziele, einen Best-Practice-Wettbewerb zwischen Regionen sowie verpflichtende überregionale Planungsleitlinien. Aus dem Publikum kam nur ein einziger sachgerechter und konkreter Beitrag: Architektin Hemma Fasch forderte mehr Wettbewerbe für öffentliche Bauten (was die Politiker unterstützten) sowie die Koppelung von Widmungsänderungen mit Wettbewerbs-Verpflichtungen.